Eurosport-Podcast "Das Gelbe vom Ball": "Zverev bekommt international zu wenig Respekt"
24 November 2023 - Letzte Aktualisierung 18 Dezember 2023

Eurosport-Experte Boris Becker spricht im Podast "Das Gelbe vom Ball" über die Saison von Alexander Zverev, lobt Deutschlands besten Tennisspieler für ein "sehr, sehr gutes und konstantes Jahr" und findet zudem kritische Worte für seine internationalen Experten-Kolleg:innen, die Zverev "nicht genügend Respekt" entgegenbringen.
Alexander Zverev hat sich in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 in die Weltspitze zurückgekämpft - nach seiner halbjährigen Verletzungspause in der zweiten Jahreshälfte 2022 keine Selbstverständlichkeit, findet Eurosport-Experte Boris Becker. In der neuen Episode des Eurosport-Podcasts "Das Gelbe vom Ball" kritisiert Becker, dass Zverev international zu wenig Respekt entgegengebracht wird. "In meinen Augen bekommt er international nicht genügend Respekt von den Tennisexperten. Die reden alle sehr gerne über die jungen Drei oder Vier, zollen aber Zverev ebenso wie Medvedev und auch Rublev nicht genügend Respekt", sagt Becker.
Dabei sei Zverev von der absoluten Weltspitze, sprich Novak Djokovic und Carlos Alcaraz, "nicht weit weg", so Becker im Gespräch mit Eurosport-Moderator Matthias Stach: "Er spielt gerade so ein wenig mit der Faust in der Tasche, will allen zeigen, dass er nicht zum alten Eisen gehört, sondern dass seine beste Zeit erst noch kommt." In der kommenden Saison traut Becker dem 27-Jährigen deshalb viel zu. Um seine ambitionierten Ziele zu erreichen, müsse Zverev aber noch an der ein oder anderen Stellschraube drehen. "Für mich geht es in der Turnierplanung los. Er kann nicht jede Woche spielen, so wie er es im letzten halben Jahr gemacht hat", kritisiert Becker: "Das kannst du körperlich und geistig nicht aushalten."
Unten finden Sie ausgewählte Zitate von Boris Becker, die Sie mit Nennung der Quelle "Eurosport-Podcast 'Das Gelbe vom Ball'" gerne in Ihre Berichterstattung übernehmen können. Den kompletten Podcast finden Sie hier. Über eine Rückverlinkung auf den ausführlichen Bericht würden wir uns freuen.
Eurosport-Experte Boris Becker über...
...die Saison von Alexander Zverev: "Einen Riesen-Glückwunsch an Sascha Zverev für ein sehr, sehr gutes und konstantes Jahr. Das hat man im Januar, als er in Melbourne in der zweiten Runde rausgehumpelt ist, so nicht vermuten müssen. Auch wie er seine Teilnahme an den ATP Finals erreicht hat: Er brauchte in Wien und Paris noch ein paar gewonnene Matches - das hat er mit Bravour gemeistert. In Turin hat er zwei von drei Matches gewonnen und ist trotzdem ausgeschieden - das war ein bisschen unglücklich. In meinen Augen bekommt er international nicht genügend Respekt von den Tennisexperten. Die reden alle sehr gerne über die jungen Drei oder Vier, zollen aber Zverev ebenso wie Medwedew und auch Rublew nicht genügend Respekt. Diese drei sind - ganz nebenbei - die Nummern drei, fünf und sieben der Welt. Also ganz vorne... Wir sprechen darüber, wie nah Sascha an der absoluten Weltspitze, sprich den Top5, dran ist. Die internationalen Experten sehen das nicht so. Deswegen klappern wir ein bisschen lauter. Vor seiner Verletzung im Halbfinale von Paris gegen Nadal - das ist gerade mal ein Jahr her - war Sascha die Nummer zwei und hätte die Nummer eins werden können. Dann kam die schwierige Verletzung - aber weit weg ist er nicht. Er spielt gerade so ein wenig mit der Faust in der Tasche, will allen zeigen, dass er nicht zum alten Eisen gehört, sondern dass seine beste Zeit erst noch kommt. Ich würde es ihm wünschen, und dem Tennissport würde es gut tun."
...die Möglichkeiten für Anpassungen bei Alexander Zverev: "Er muss eine bessere Turnierplanung haben, auch mal Trainingsphasen einstreuen, wo er eine oder zwei Wochen nicht spielt, sondern einfach zehn Tage trainiert. Sicher weiß sein Vater am Besten, was seinem Sohn gut tut, aber wenn man bei der Konkurrenz in die Box schaut, sieht man da auch Veränderungen. Vielleicht ist das auch mal ein Thema für Sascha, mit einem Spieler, der gerade aufgehört hat, oder mit David Ferrer, mit dem er sich ja blendend versteht, eine neue Sichtweise zu erhalten. Der Tennissport verändert sich ständig und was letztes Jahr funktioniert hat, muss nächstes Jahr nicht funktionieren. Von mir als Freund: Er ist in seiner Art zu spielen berechenbarer geworden. Das ist kein gutes Zeichen für einen Tennisspieler, wenn man ungefähr weiß, wie sie spielen. Da kann man sich dann irgendwann drauf einstellen. Seine Professionalität stand nie zur Diskussion. Er war immer ehrgeizig, hat viel trainiert und ist unglaublich fit. Für mich geht es eher um die Spielweise und die -strategie: Wie will er die Punkte gestalten? Wie will er in der Halle, auf Rasen, auf Sand spielen? Da muss man unterschiedliche Spielweisen sehen. Hier müsste er ein bisschen schrauben, um das Spiel dann einfach anders anzugehen. Die Einstellung stimmt! Das Herz ist am rechten Fleck! Er liebt den Sport! Und er ist gesund. Das sind die grundsätzlichen Faktoren - jetzt geht es um die Spielweise."
...die begonnene Zusammenarbeit mit Holger Rune: "Das war Back To The Roots - zurück zu meinem Ursprung. Als ich in Basel eingelaufen bin, fiel mir der Turnierdirektor um den Hals, der mir 1984 meine erste Wildcard gegeben hat. Ich habe mich sofort wie zuhause gefühlt. Die Players' Lounge ist gleich, der Platz ist gleich und sogar das Hotel ist noch das gleiche, auch wenn es jetzt einen neuen Namen hat. Die Tennis-Community hat es mir wirklich sehr einfach gemacht, hier wieder Fuß zu fassen - natürlich angefangen bei Holger, der das auch unbedingt wollte. Der Start war sehr intensiv, weil Holgers Teilnahme an den ATP Finals in Turin ja auf der Kippe stand. Er hatte - klar ausgedrückt - einen sehr schlechten Sommer, in dem er bei neun Turnieren acht Mal in der ersten und einmal in der zweiten Runde ausgeschieden ist. Mit Satz und Break hinten in der ersten Runde in Basel dachten auch schon wieder alle, dass das eine schwierige Geburt wird. Aber er hat Kämpferqualitäten gezeigt und wollte unbedingt. Wir haben in der Vorbereitung überlegt, warum er die Matches verloren hatte. Lag es an der Vor- oder Rückhand oder lag es an der sogenannten Einstellung? Wenn die Einstellung nicht stimmt, musst du eigentlich gar nicht Tennis spielen. Das wurde von Match zu Match besser - seine Einstellung sowieso, aber auch seine Spielweise."
...das Team um Holger Rune: "Ich bin zwar der Chefcoach, aber ich bin genauso wichtig wie unser Analyst Mike James und Fitnesscoach Lapo Becherini. Und die Mutter der Kompanie ist ohnehin Aneke - ohne sie geht nichts! Sie hat für eine Außenstehende, die noch nie Tennis gespielt hat, einen unglaublichen Tennisverstand. Und sie weiß vor allem, was ihrem Sohn gut tut. Daher will ich das noch einmal betonen: Es ist ein Teamwork von Aneke, Lapo, MJ und mir."
...die Baustellen, die er mit Rune als erstes angehen möchte: "Ich habe ja viele Matches gesehen, aber ich habe neben Carlos Alcaraz noch keinen Spieler gesehen, der so schnell Tennis spielen kann. Der hat so eine Power im Arm und so eine gute Hand-Auge-Koordination, durch die er den Ball früh trifft - und damit unglaublichen Druck entwickeln kann. Die Kunst besteht darin, die PS nun auf die Straße zu bringen. Die Power, die er hat, die er im Training und manchmal auch im Match zeigt, muss konstant da sein, denn dann spielt er schneller als 98 Prozent aller Spieler. Wenn der Ball dann so schnell auf dich zukommt, kannst du nur noch reagieren und nicht mehr agieren."
...das Vertrauensverhältnis zu Holger Rune: "Ich muss die Erlaubnis haben, ihm zu sagen 'Heute hast du echt Mist gespielt' - und ich sag dir auch warum. Ohne das kann ich gar nicht arbeiten. Er muss das ertragen können und dulden, denn nur so gibt es einen Fortschritt. Wenn ich ihm nach einem verlorenen Match sage, er hätte Pech gehabt und war der bessere Spieler, dann wäre ich der falsche Trainer. Für Schön-Wetter und Rumeiern bin ich nicht gemacht. Das fordert er auch. Er ist unheimlich leidenschaftlich, träumt und schläft Tennis. Er schaut sich in den Pausen fast zu viele Matches - auch seine eigenen - an. Der Kopf muss auch mal frei werden. Er ist im positiven Sinne ein absolut Tennisverrückter, aber nur so kannst du ein erfolgreicher Tennisspieler sein."
...die zweite Jahreshälfte von und die Aufgaben für Carlos Alcaraz: "Er hat seit dem Wimbledonsieg in fünf Sätzen über Novak Djokovic kein Turnier mehr gewonnen. Das muss man einfach mal emotionslos festhalten. Woran liegt das? Mein Lieblingssatz in diesem Zusammenhang ist ja: 'Die Umkleidekabine schläft nicht.' Heißt, die anderen Spieler haben kapiert, wie man gegen Alcaraz spielen muss, um eine Chance gegen ihn zu haben. Das ist passiert. Andere Spieler haben sich weiterentwickelt und Alcaraz nicht. Er spielt weiterhin phantastisch Tennis. Ich liebe es, ihm zuzuschauen, wie er mit seiner Beinarbeit, seiner Variation, seinem Aufschlag und seiner Vorhand Tennis vom Feinsten spielt. Aber die Topspieler haben sich darauf eingestellt und wissen, wie man dagegen ankommt. Ich bin überzeugt, dass Alcaraz mit Juan Carlos Ferrero jetzt im Winter mal was Neues oder anders trainieren und sich verbessern wird. Ihre Aufgabe ist es, seine Stärken auszubauen. Und ich bin auch davon überzeugt, dass wir bei den Australian Open 2024 einen bärenstarken Carlos Alcaraz sehen werden."
...die geplante Rückkehr von Angelique Kerber bei den Australian Open: "Warum soll es nicht klappen? Es gibt andere Spielerinnen, wie Kim Clijsters, Serena Williams oder auch Naomi Osaka, die nächstes Jahr wiederkommen will. Caroline Wozniacki ist Mutter von zwei Kindern und hat phantastische US Open gespielt. Es ist möglich. Dazu ist Angie in einem Alter, in dem es auch körperlich noch geht. Die Frage ist: Hat sie die Geduld? Hat sie die Ausdauer? Hat sie die Nerven, am Anfang auch mal eine Niederlage oder zwei hinzunehmen, um dann mit Blick auf die Rasensaison die Matchpraxis zu haben. Sie muss vorher sieben oder acht Turniere gespielt haben, um die Matchpraxis zu bekommen, die sie im Training nicht bekommt. Ich bin voller Vorfreude, kann es kaum erwarten, Angie wieder auf dem Tennisplatz zu sehen und wenn das zusammen mit Sascha für Deutschland beim United Cup passiert, bin ich einer der ersten Zuschauer."
Den kompletten Podcast finden Sie hier.
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Fabian Kunze
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